Aktuelle Biologie der Legasthenie: was Lehrer und Eltern wissen müssen

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Auf der 18. Fachtagung des EÖDL gab es jede Menge interessante Vorträge, aber der Vortrag des Tages war natürlich der von Prof. Dr. Albert Galaburda zum Thema „Developmental Dyslexia: The Intersection of Genes, Brains, and Societies“. Der Vortrag war auf Englisch. Zum besseren Verständnis hatten alle ZuhörerInnen eine Kurzfassung auf Deutsch bekommen.

Dr. Galaburda untersucht bereits seit den 70’er Jahren den Ursprung der Legasthenie. In den Gehirnen von verstorbenen Legasthenikern entdeckte er die ersten Beweise für die neurobiologische Grundlage der Legasthenie. Er fand Anomalien in den Hirnarealen, die wichtig für die Sprachfunktion sind. Das zeigt, dass Milieu oder kulturelle Einflüsse allein nicht als Ursache für Legasthenie in Betracht kommen. Inzwischen ist Dr. Galaburda mit seinen Forschungen ein ganzes Stück weiter. Er und sein Team untersuchen die Effekte der Legastheniegene. Anhand von Experimenten untersuchen sie, was passiert, wenn man diese Gene isoliert oder entfernt.

Dennoch erklärte Dr. Galaburda selber am Anfang des Vortrags, dass Gene allein nicht für die Entwicklung einer Legasthenie reichen. „Um Legasthenie in einem Kind hervorzubringen, bedarf es der Kombination von kultureller Prädisposition, genetischem Hintergrund und ungewöhnlicher Hirnentwicklung.“ (Zitat aus dem Vortrag). An ein Grundwissen der Genetik kommt man heutzutage nicht mehr vorbei, schon gar nicht wenn man mit legasthenen und dyskalkulen Kindern zu tun hat. Dr. Galaburda betonte, wie wichtig es sei, dass Eltern, Lehrer, Erzieher, Ärzte, Studenten, usw. über dieses Grundwissen verfügen, ohne sich von der Genetik einschüchtern zu lassen. „… and if you don’t know, you will be embarassed.“ (Zitat aus dem Vortrag).

Anderthalb Stunden referierte Dr. Galaburda über die Zusammenhänge von Genetik, Legasthenie, Hirnentwicklung und kulturellem Umfeld. Er zeigte Bilder und Experimente aus seiner Forschung. Das war kein trockener Stoff, sondern höchst spannend. Sehr schön ist auch, dass man bei Dr. Galaburda auch jederzeit sein Engagement für legasthene und dyskalkule Menschen merkt. Er ist kein weltfremder Wissenschaftler, sondern darum bemüht, Aufklärung über ein schwieriges Thema zu verschaffen.

Umso unverständlicher ist die Tatsache, dass in Deutschland immer noch Leute behaupten, Legasthenie sei eine Erfindung oder ein schickes Wort für Faulheit und dass die Kinder einfach mehr üben sollten. Noch unverständlicher ist, dass deutsche Wissenschaftler sich feiern lassen, weil sie vor einigen Jahren das Legasthenie-Gen entdeckt haben wollen. Das zeigt: Es schadet nicht, über den eigenen Tellerrand zu schauen und Englisch zu können, denn „if you don’t know, you will be embarassed“.

Zum Glück gibt es auch Ausnahmen: Zertifizierte Legasthenie- und Dyskalkulietrainer des EÖDL lernen bereits im Grundstudium über die Forschung von Dr. Galaburda. Dr. Kopp-Duller verweist in ihren Büchern auch immer wieder auf Dr. Galaburda. Auch Dr. Marco Treven zeigt die Forschung von Dr. Galaburda in seinem Prezi „Neurobiologische Grundlagen der Legasthenie – was ist bekannt über Ursachen und Mechanismen?

Ich habe den kompletten Vortrag mit meinem Livescribe Smartpen aufgenommen. Herunterladen und anhören!

DOWNLOAD: Prof. Dr. Galaburda: Developmental Dyslexia: The Intersection of Genes, Brains, and Societies.

2 Replies to “Aktuelle Biologie der Legasthenie: was Lehrer und Eltern wissen müssen”

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